Lexikon
Perlenkosmetik Mystik Medizin
WISSENSWERTES ÜBER PERLENKOSMETIK, MYSTIK UND MEDIZIN
Die geheimnisvolle Herkunft der Perlen ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass ihnen seit dem Altertum eine heilende und magische Wirkung zugeschrieben wird. In der römischen Zeit kamen den Farben besondere Eigenschaften zu: gelbe Perlen bedeuten Wohlstand, braune Perlen Weisheit, weiße Perlen waren ein Symbol für Freiheit und grüne Perlen sollten Zufriedenheit bringen. Grüne Perlen gelten bis heute als Glückssymbol. Im Gegensatz dazu wurden Perlen zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Kulturen mit Tränen in Verbindung gebracht.
Während Perlen zunächst eher auf eine archaische Weise in der Liebes-, Glücks- und Fruchtbarkeitsbeschwörung eingesetzt wurden (Muscheln gelten als Symbol der Weiblichkeit), gewannen sie unter arabischem Einfluss ab dem 8. Jahrhundert eine Bedeutung als Heilmittel in der Medizin. In Europa dienten Flussperlen zum Herstellen der Perlspezies oder Perlmilch, auch Puder und Schminke wurden daraus gemacht. Das 'Auqa perlata' des Mittelalters war eine Lösung aus Perlenpulver, Essig oder Zitronensaft, Zucker und Kräutern. Größere Perlen galten als Symbol für Reichtum und konnten auf die Art ihre eigene Wirkung entfalten. Im Orient und in Ostasien wurden Perlen als Hilfsmittel zur Weissagung der Zukunft eingesetzt, diese spezielle Art der Wahrsagerei kann als Margaritomantik bezeichnet werden.
Von Albertus Magnus (1193 – 1280) stammt der Satz:
'Die Perle ist ein Sn, der sich in unscheinbaren Muscheln befindet. Die besseren kommen aus Indien, viele aber aus dem Britannischen Meer, das jetzt das englische Meer genannt wird. Es ist aber ihre Kraft erprobt zur Stärkung der Lebensgeister und gegen chronische und akute Herzschwäche.'
1637 verfasste der später kurfürstliche Leibarzt Malachias Geiger (1606 – 1671), der nicht zuletzt als Gutachter für die Perlenfischerei in den Diensten von Maximilian I. Stand, seine 'Margaritologia'. Es handelt sich dabei um ein in lateinischer Sprache abgefasstes Lehrbuch, dass sich mit der medizinischen Verwendung der bayerischen Flussperlen beschäftig. M. Georg Christoph Meyer aus Oelsnitz erwähnt noch 1770 in seiner Schrift über die sächsischen Perlen, dass sie als Heilmittel gegen Augenleiden dienen. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein nehmen Perlen einen festen Platz in den Lehrbüchern der Pharmazie ein. Von einer wirklichen medizinischen Wirkung kann wahrscheinlich nicht gesprochen werden, abgesehen davon, dass Perlenpulver ein Kalkpräparat darstellt und über 20 verschiedene Aminosäuren und über 10 verschiedene Proteine und Spurenelemente enthält.
Perlen sind immer eher Amulette und Talismane gewesen. Korschelt schreibt 1912 treffend, dass Perlenpulver von geringem Erfolg ist, 'wenn die Suggestion nicht helfend eingreift' und die größte Wirkung auf 'mystische, unklare und abergläubische Vorstellungen' zurückgehe. Von der Mystik, die vom Altertum bis zum Mittelalter eine so große Rolle spielte, ist in unserer Zeit nicht mehr viel übrig geblieben, abgesehen davon, dass die Perle als Monatsstein für Juni gilt. Einzelnen Esoterik-Firmen ist es allerdings gelungen, teure Südsee-Zuchtperlen in ihr Repertoire mit aufzunehmen und sie als Mittel zur Stärkung des allgemeinen Wohlbefindens anzupreisen.
In Indien, dem klassischen Perlenland, wurden Perlen schon früh zur Interpretation von Träumen verwendet, und als Symbole der Tugend kamen ihnen ebenfalls talismanische Eigenschaften zu. Der aus gebrannten Perlen gewonnene Kalk diente als Zugabe bei der Herstellung von Betel, orientalische Potentaten sahen darin ein Mittel zur Stärkung der Sehkraft und zur Heilung von Herzkrankheiten. Perlen sollten innere Ruhe verleihen und den Körper und die Seele stärken. Aus dem Pulver gebrannter Perlen wurde auch eine Art Sorbet hergestellt, das in geringen Dosen als Gegengift gegen Lepra und andere Hautkrankheiten eingenommen wurde. Im Osmanischen Reich wurde die Perle anscheinend sogar zur Geburtshilfe eingesetzt, indem man Gebärenden ein Pflaster mit Perlenpulver auf den Rücken klebte.
In der chinesischen Medizin stehen Perlen in der längsten Tradition, von China aus gelangte das Wissen nach Korea und Japan und in andere asiatische Länder. Bis zum 2. Weltkrieg verkaufte Japan fast seine gesamte Produktion an Saatperlen nach China, wo sie ausschließlich zur Herstellung von Perlenpulver diente. Die letzte chinesische Kaiserinwitwe nahm Berichten ihrer Hofdamen zufolge jeden Montagmorgen einen Teelöffel mit Perlenstaub ein, den Sie als Mittel zur Erhaltung ihrer Jugend ansah.
Der Perlenmedizin wird in China eine Reihe heilender Eigenschaften zugeschrieben. Chinesen glauben fest daran, dass sie das Verkalken der Arterien verhindert, gegen hohen Blutdruck wirkt und den Säurehaushalt der Haut balanciert. Darüber hinaus gilt sie als Mittel gegen Schlafstörungen, Bronchitis, Husten, Epilepsie, Brandwunden und Geschwüre, es soll ihr eine fiebersenkende und entgiftende Wirkung zukommen! Nicht zu vergessen ist, dass die Perlenmedizin ähnlich wie früher in Europa als Mittel gegen Augenleiden angesehen wird.
Eine Vielzahl von Unternehmen in China stellt heute Perlenpulver aus kernlosen Süßwasserzuchtperlen her, die den Mindestanforderungen für Schmuckzwecke nicht mehr genügen. Auch das Pulver, das beim Bohren der Perlen anfällt, wird weiter verwendet. Perlenpulver, dass verflüssigt wird, bildet das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Tabletten und Tropfen. Es ist auch die Grundlage für die Herstellung von Perlenkosmetik und wird bereits als Zusatz bei Gesundheitskost verwendet, selbst Toffees und Schnaps werden hergestellt. Am billigsten ist es, das Pulver direkt in den Apotheken zu kaufen, Tabletten sind heute allerdings auch preisgünstig, die Perlenmedizin ist kein Privileg mehr. Den niedrigsten Preis nimmt Pulver ein, das aus zermahlener Muschelschale gewonnen wird.
Chinesensahen Perlen schon immer als ein kosmetisches Mittel gegen Hautprobleme. Der in der Ming-Zeit lebende chinesische Arzt Li-Shi-Zhen verweist in seinen Schriften auf Perlenpulver zur Pflege von Gesicht, Händen und Füßen, es mache die Haut geschmeidig und jünger und beseitige Sommersprossen. Das Unternehmen Shahoe Peals in Shantou stellt heute eine ganze Serie von Perlenkosmetiken her, die in chinesischen Kaufhäusern verkauft wird. Die Wirkung der Perlenkosmetik beruht nicht nur auf dem Perlenpulver, sondern auch auf der Hornsubstanz Conchyn. Sie wird aus den Perlen extrahiert und kann in konzentrierter, flüssiger Form den Cremes beigegeben werden. Sie soll der Haut Feuchtigkeit und Elastizität verleihen, weil sie leicht von den Obehautzellen absorbiert werden kann. Unter den Chinesinnen ist bis heute die Meinung verbreitet, dass allein das Tragen von Perlen die jugendliche Frische der Haut erhält und darüber hinaus zu einem angenehmen Frischegefühl an heißen Sommertagen verhilft. Die modernen Chinesinnen versprechen sich von der Perlenkosmetik den durchsichtigen, porzellanweißen Teint, der dem klassischen Schönheitsideal entspricht.
Mikimoto began bereits in den Kriegsjahren, als das Perlengeschäft darnieder lag, mit der Entwicklung einer Kosmetikserie. Das Unternehmen vertreibt heute die Linie Eldona, zu der eine Gesichtscreme gehört, die das 'Perlenprotein' Conchyn und Perlenpulver enthält. Daneben werden eine Reihe anderer namhafter Kosmetikserien produziert. Das Unternehmen unterhält auch eine eigene pharmazeutische Abteilung, die Perlenmedizin herstellt.
Früher war Nagasaki das Zentrum für die Perlenmedizin, der in Japan eine ähnlich lange Reihe von Wirkungen wie in China zugeschrieben wird. Sie gilt u. a. als Mittel gegen Augenkrankheiten, Fieber, Schlaflosigkeit, Masern, Keuchhusten und unreine Haut! Sie soll Erschöpfungszuständen vorbeugen und wird gegen Zahnschmerzen und übersäuerte Mägen eingesetzt, auch schwangere nehmen sie ein. Perlenmedizin ist in Japan ein wichtiger Exportartikel in ostasiatische Länder.
In der Inselwelt Südostasiens und im Pazifischen Ozean wird die mystisch-magische Bedeutung von Perlen bis heute in eine Reihe von Legenden eingewoben. Im Malayischen Archipel, besonders auf der Insel Kalimantan, ist immer noch der Glaube verbreitet, dass Perlen sich vermehren können, wenn man sie mit einigen Reiskörnern zusammen in eine kleine Schachtel legt. Bereits nach einigen Monaten sollen neue, stecknadelkopfgroße Perlchen entstanden sein!
(Quelle: Elisabeth Strack "Perlen" 2001)