Lexikon

Zuchtperlen

WISSENSWERTES ÜBER ZUCHTPERLEN

Flavius Philostratus verfasste im 3. Jahrhundert n. Chr. das 'Leben des Apollonius von Tyana', die erste erhalten gebliebene Biographie eines Wundertäters. Im 57. Kapitel des 3. Buches wird auf mystisch-orientalische Weise das Leben der Perlentaucher im Roten Meer beschrieben, u. a. wird geschildert, wie sie mit einem spitzen Instrument einstechen und die entstehende weiße Flüssigkeit in kleinen Eisenformen einsammeln. Wahrscheinlich liegt hier die Beschreibung früher Zuchtversuche in einem klassischen Fundgebiet vor. Erfolg hatten die Chinesen, deren Erfindung wahrscheinlich in das 1. Jahrhundert vor Christus zurückgeht. Die regelmäßige Produktion von Perlen erfolgte erst ab dem 12. Jahrhundert und hielt bis zum Beginn diesen Jahrhunderts an. Es handelt sich um Zuchtschalenperlen, zu deren Herstellung ein Objekt unter die Schale bestimmter Süßwassermuscheln geschoben wurde, wahrscheinlich wurde Cristaria plicata verwendet. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entsteht durch den Einfluss Japans die chinesische Zuchtperlenindustrie, die andere Verfahren anwendet. In der neuen Welt hat es anscheinend ebenfalls Zuchtversuche gegegeben. In einem Indiandergrab in Ohio, das aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt stammt, wurden mit gepulvertem Glimmer überzogene Tonklümpchen gefunden, auf denen ein dünner Überzug aus Perlsubstanz aufgewachsen war.

Der erste Europäer, dem es erfolgreich gelang, Zuchtperlen nach chinesischem Vorbild herzustellen war Carl v. Linne. Unter Verwendung der einheimsischen Flußmuschel Unio Pictorum wandelte er die chinesische Technik dahingehend ab, dass er von außen ein Loch in die Schale der Muschel bohrte und mithilfe eine dünnen Silberdrahtes ein kleines Kügelchen aus Kalkstein zwischen Schale und Mantel einführte. Dann wurden die Muscheln für 5 Jahre ins Wasser zurückgesetzt. 1748 schrieb er in einem Brief an den Schweizer v. Haller:

'...es ist mir möglich, i Laufe von 5 Jahren in jeder Perlmuschel von der Größe einer Hand eine Perle herzustellen, die so groß ist wie das Samenkorn der Wicke.'

Der König von Scen wollte ursprünglich das Patent aufkaufen und daraus ein königliches Monopol machen, aber es kam nicht dazu. Am 27. Juli 1761 legte Linne vor einem Komitee des schwedischen Staatsrates sein Verfahren dar, für das ihm 12.000 Taler in Aussicht gestellt wurden. Er erhielt das Geld nicht und verkaufte seine Methode im nächsten Jahr für 6.000 Taler an den deutschen Kaufmann Peter Bagge aus Göteborg. Es wird sogar behauptet, dass Linne aufgrund dieser Erfindung in den Adelsstand erhoben worden ist; das Ei im Wappen des Naturwissenschaftlers wurde zu seiner Zeit als Perle interpretiert. 1762 erhielt Bagge das Monopol zur Perlenerstellung, die er vor seinem Tod allerdings nicht mehr in Angriff nahm. 1822 erbat der Enkel von Bagge vom schwedischen König eine Bestätigung des Privileges, jedoch schlugen seine Versuche fehl, das Patent daraufhin wieder zu verkaufen.

1859 wurde die Korrespondenz zwischen Bagge und Linne veröffentlicht, aus der Einzelheiten des Verfahrens bekannt geworden sind. Ursprünglich hatte Linne in seinem 'Systema Naturae' über die Perlenherstellung berichtet, später strich er diese Stelle. Die fast runden und weißen Perlen befinden sich heute im Museum der Linne-Gesellschaft in London.

Es fehlte nicht an Nachahmungsversuchen. Der schottische Arzt John Hunter berichtet im April 1787 in einem Brief an Sir Joseph Banks in London von Zuchtversuchen in einem Teich in Earl's Court. Ein bemerkenswerter Großversuch nach der Linne'schen Methode lief zwischen 1821 und 1825 in Bayern ab, als Freiherr von Halberg-Broich in der Würm bei Gauting Bänke mit sächsischen, böhmischen und schwedischen Muscheln anlegen ließ. Der Freiherr hatte von seinen Fernreisen Kenntnisse über die Perlenkultur mitgebracht. Von dem Holländer E. F. Kelaart sind aus dem Jahr 1859 Versuche auf der ceylonesischen Seite des Golfes von Manaar überliefert.

Auf der Internationalen Fischereiausstellung 1880 in Berlin wuden attraktive Objekte gezeigt, die in den säschsischen Fisschereien nach chinesischem Vorbild angefertigt worde waren. Zu ihrer Herstellung hatte man flache Zinnfiguren, z. B. in Form von Fischen, oder kleine Porzellanköpfe verwendet. Anscheinend waren auch im Mantelgewebe der Muscheln gezüchtete kleine Perlchen ausgestellt, die unansehnlich aussahen. Die Versuche hatten mithilfe von Moritz Schmerler unter der Anleitung von Dr. Küchenmeister stattgefunden.

Der Uhrmacher Johnn Nepumuk Koller aus Windorf, Pächter des Perlenbaches bei Vilshofen im Bayerischen Wald, zeigte in Berlin Muscheln und Perlen aus seinem Bach. In einem Bericht zur Ausstellung heißt es:

'Herr Koller hat sich uch mit dem Problem beschäftigt, künstliche Perlen in den Muscheln zu erzeugen und ist in ähnlicher Weise vorgegangen wie die Chinesen...bei der Erzeugung der Buddhabilder. Er gießt in hölzerne Formen flache Zinnfiguren, z. B. Fische, welche er zwischen Mantel und Schale einführt. Während dieser Operation sperrt er die Schale auf mit Hülfe einer besonderen Zange, welche einer Drahtzange mit flachgefeilten und gerieften Branchen ähnelt...'.

Im gleichen Jahr experimentiere der Franzose bouchon-Brandely auf Tahiti mit Pincta margaritifera und nahm sich dabei das Linne'sche Verfahren zum Vorbild. Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgten in Bayern Versuche durch von Hessling, zur gleichen Zeit experimentierte ein gewisser Vane Simonas aus Cedar Rapids in Iowa mit Flussmuscheln, die er im Sonnenlicht liegen ließ, um sie dann mit einem Holzkeil versehen ins Wasser zurückzusetzen. Erst kurz nach 1890, mehr als 100 Jahre nach Linne, gelingt dem Japaner Kokichi Mikimoto nicht nur die Erfindung oder eher Wiedererfindung der Zuchtperle nach chinesischem Vorbild, sonder er schafft es als erster, ein reproduzierbares Verfahren für die Serienproduktion zu entwickeln. 1916 beginnt mit der Anwendung eines neuen Verfahrens der Siegeszug der vollrunden japanischen Zuchtperle.

Bis in die heutige Zeit halten sich in Detschland hartnäckig Gerüchte, dass der eigentliche Erfinder der Zuchtperlen der deutsche Universitätsprofessor Alverdes gewesen ist; dieses dürfte allerdings nicht den Tatsachen entsprechen. Alverdes, am 10 April 1889 geboren, entstammte einer wohlhabenden bürgerlichen Familie (deren Namen bereits 1372 in Stettin urkundlich erwähnt worden ist), in Hamburg besuchte er die renomierte Gelehrtenschule des Johanneums, an der ein paar Jahrzehnte zuvor Karl Möbius als Lehrer für Naturwisschenschaften gewirkt hatte. Alverdes studierte in Freiburg, München und Marburg und war Schüler einiger großer Zoologen seiner Zeit, er hielt sich auch mit Forschungsreisen in mehreren Ländern auf (aber nicht in Japan). Die Promotion zum Dr. phil. erfolgte in Marbung am 03.06.1912, Alverdes war da erst 23 Jahre alt. In der Zeit zwischen Herbst 1912 und Sommer 1913 fallen seine Versuche zum Nachweis der Entstehung von Perlen, deren Ergebnisse er 1913 im Zoologischen Anzeiger veröffentlichte; die Arbeit hat inzwischen eine historische Bedeutung. Die Anregung dazu stammte wahrscheinlich von Alverdes Lehrer Eugen Korschelt, der 1912 eine Zusammenfassung über Perlen und Perlbildung herausgegeben hatte. Die Entstehung von Perlen war in diesen Jahren ein aktuelles wissenschenschaftliches Thema. Alverdes kam mit seinen Versuchen zu dem Schluss, dass jede Muschel künstlich zur Erzeugung von Perlen gebracht werden könne, er halt selber aber nie an der praktischen Umsetzung seiner Folgerung mitgewirkt. Nach dem 1. Weltkrieg, an dem er teilgenommen hatte, arbeitete er ab 1919 als Assistent am Zoologischen Institut der Universität Halle. Im Mai 1928 erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor in Marburg, mit der er die Nachfolge Korschels antrat. In Marburg blieb Alverdes bis zu seinem Tod im September 1952. Das Perlenthema hat er nach den Versuchen von 1912/13 anscheinend nicht wieder aufgegriffen. Es gibt keine schriftlichen Arbeiten mehr, und frühere Mitarbeiter aus der Marburger Zeit erinnern sich, dass Alverdes über dieses Thema nie wieder gesprochen hat. Die 'Perlenangelegenheit' wurde im Kreise der deutschen Zooloegen jetzt eher belächelt und Alverdes hatte sich inzwischen einer Fülle von anderen wissenschaftlichen Themen zugewandt.. In den Jahren vor dem 2. Weltkrieg war in Marburg seine große Zeit (u. a. befasste er sich mit der ganzheitlichen Betrachtung von Lebenserscheinungen).

Irgendwann in den zwanziger Jahren muss in Universitätskreisen das Gerücht entstanden sein, dass Alverdes sein Patent an Mikimoto verkauft und damit dem geschäftstüchtigen Japaner Ruhm und Geld überlassen habe. Ein Patent hat es allerdings nie gegeben (es gibt in Deutschland bis heute keine einzige Patentanmeldung zur Zucht von Perlen), trotzdem hält sich selbst innerhalb der Familie Alverdes bis heute diese Version. Die Perlenbranche griff das Gerücht ebenfalls schnell auf und es hat im Laufe der Zeit eine Reihe subtiler Abstufungen durchlaufen. Die Krone setzte ein Artikel im Stern von 1963 auf, der eine Reihe so haarsträubender Fehlinformationen verbreitete, dass sie hier nicht wiedergegeben werden sollen, zumal sie sich Punkt für Punkt widerlegen lassen. Der Artikel suggeriert, dass auch hinter dieser großen Erfindung der Menschheit ein übergangener Deutscher gestanden hat (in den frühen sechszigern war ein großer Teil der Gesellschaft noch empfänglich für derartige Suggestionen), in Wirklichkeit bewegte Alverdes sich von Anfang an auf einer ganz anderen Ebene. Er war nach Schilderungen von Zeitgenossen ein unabhängiger, kritischer Mann von noblen Charaktereigenschaften, der in seiner wissenschaftlichen Arbeit aufging. Er lebte in der privilegierten Welt des etablierten Bürgertums, und es ist schwer vorstellbar, dass er sich übergangen fühlte oder es für nötig erachtet hätte, sich auf die Ebene der Geschäftemacherei zu begeben.

Als der junge Alverdes 1913 seine Versuche im Spessart beendete, war Mikimoto bereits seit 20 Jahren ein erfolgreicher Züchter und hatte selbst ein Verfahren zur Zucht von vollrunden Perlen entwickelt. Mikimoto besuchte Deutschland erst 1926/27, zu diesem Zeitpunkt gab es in Japan eine gut florierende Zuchtperlenindustrie mit einigen Millionen operierter Muscheln. Ein Besuch bei Alverdes wird nirgendwo erwähnt und bis jetzt konnten keine Personen ausfindig gemacht werden, die von einem Zusammentreffen der beiden noch gewusst haben könnten. Der Nachweis einer Korrespondenz konnte bis jetzt ebenfalls nicht erbracht werden.

Der Zoologe Richard B. Goldschmidt, der in den dreißiger Jahren in die USA emigrierte, berichtet in seinem Erinnerungsband über die großen Jahrzehnte der deutschen Zoologie. Er schreibt, dass der bayerische Zoologe Bruno Hofer in einem kleinen Nebenfluss der Donau eine künstliche Perlenproduktion ins Leben rufen wollte, die nicht gelang. Er nennt auch Mikimoto, dessen Farm er 1918 selber in Japan sah, Alverdes wird dagegen mit keinem einzigen Wort erwähnt.

Die Geschichte des heutigen Japan, dessen Inseln schon um 20.000 vor Christus bewohnt waren, beginnt zwischen 300 v. Chr. und 300 n. Chr. mit Einwanderern aus Südchina, Südostasien, Korea und Polynesien. Im 6. Jahrhundert entwickelten sie unter chinesisch-korreanischem Einfluss eine eigenständige Kultur mit dem Tenno als Staatsoberhaupt. Vom 12. Jahrhundert an beherrschten mächtige Samurai-Famlien für mehr als dreihundert Jahre das Land, im 16. Jahrhundert kommt es zu Bürgerkriegen, an deren Ende die Einigung Japans durch Tokogawa Ieyasu steht. Das von ihm begründete Tokugawa-Shogunat (1603 – 1868) dauert mehr als zweihundertfünfzig Jahre, während dieser Zeit bleibt das Land hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen. Die Landung der Portugiesen 1542 und die Ankunft der ersten Missionare 1612 fällt noch in die Zeit vor der selbst gewählten Isolierung. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gerät Japan in den Einflussbereich westlicher Kolonialbestrebungen, als 1853 der amerikanische Admiral Matthew C. Perry mit seinem Geschwader in Shimoda landet und die Öffnung von Vertragshäfen erzwingt. In den folgenden Jahren verfällt das Feudalsystem und der Kaiser gewinnt wieder an Macht, er wird später als Reformkaiser Meiji in die Geschichte eingehen. Tokio, damals noch Edo, ist die neue Hauptstadt. Der Kaiser schafft 1868 die Feudalherrschaft der Shoguns ab, in den nächsten Jahren öffnet Japan sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit dem Handel mit der gesammten Welt. Mit der beginnenden Industrialisierung nach westlichem Vorbild entstehen neue Schulen und Universitäten: das alte Klassensystem fällt endgültig 1871.

Innerhalb kürzester Zeit weitet der Kaiser sein Reich weiter aus, Korea, Taiwan und Teile von China werden erobert. 1904/05 ist mit dem Sieg über Russland der Weg zur Weltmacht bereitet und mit dem Ende des 1. Weltkrieges, an dem Japan auf der Seite der Alliierten teilnimmt, ist der Übergang von der Agrar in die Industriegesellschaft vollzogen. Die heutige weltweite Zuchtperlenindustrie verdankt ihr Vorhandensein und ihren Status dem Japaner Kokichi Mikimoto. In Japan ist Mikimoto ein Nationalheld: schon früh lernen japanische Schulkinder seine Erfolgsgeschichte kennen. Mikimoto selbst meldete am 16. Oktober 1914 ein eigenes Patent für runde Zuchtperlen an, das daraus bestand, einen ganz in Mantelgewebe eingenähten Kern in die Muschel einzführen. Der Erfinder war Otokichi Kuwabara, ein früherer Zahnarzt, jetzt Freund und Angestellter Mikimotos. Das Patent wurde schon am 1. Mai 1916 gewährt. 1916 ist auch das Jahr, in dem Mikimoto seine erste Auslandsreise nach nach Korea und China antritt. Shanghai war zu dieser Zeit ein Handelszentrum für Perlen aus China und der Südsee, es gab viele Perlenhändler und Juweliere und viele wohlhabende Chinesinnen, die Perlen trugen. Mikimoto eröffnete während seines Aufenthaltes einen Laden in der Nanking Road und lud alle Perlenhändler der Stadt zur Eröffnung ein.

Die japanische Zuchtperlenindustrie gründet ihren Erfolg auf eine einzige Art der Gattung Pinctada. Sie wurde nach dem deutschen Zoologen Carl Eduard von Martens benannt und galt aufgrund ihrer geringen Größe ursprünglich als Unterart von Pinctada radiata. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich etwa bis zum 35. nördlichen Breitengrad und geht damit über den nördlichen Wendekreis hinaus. Es umfasst den südöstlichen Teil von Honshu zwischen Nagoya und Kobe, die Küsten der Insel Shikoku auf der pazifischen und inländischen Seite und die Küsten der südlichen Insel Kyushu. An der Westküste von Honshu gibt es ebenfalls Vorkommen, die sich nördlich bis zur Präfektur Ishikawa hinziehen, sie sind wahrscheinlich erst mit der Ausbreitung der Zuchtfarmen dorthin gekommen. Von Kyushu aus erstreckt sich das Verbreitungsgebiet bis zur koreanischen Halbinsel hin, die nur etwa 200 Kilometer von der japanischen Küste entfernt liegt.

Eine Besonderheit der japanischen Perlmuschel ist, dass sie starke jahreszeitliche Temperaturschwankungen ertragen kann, damit hat sie sich den klimatischen Bedingungen an der Südostküste von Honshu , wo es ausgeprägte Winter gibt, angepasst.

Der Zuchtvorgang beginnt it der Operation, sie kann das ganze Jahr über erfolgen. Am besten ist die Zeit zwischen Mai und Oktober geeignet, meistens werden die Muscheln unmittelbar vor der Operation zum Laichen gebracht, um die Gonaden zu entleeren. Der Hochsommer, d. h. die Zeit nach der natürlichen Leichperiode, ist für die Operation weniger geeignet, weil die Muschen aufgrund der hohen Wasssertemperaturen geschwächt sind. Wenn sie vom Herbst an in engen Körben gehalten werden verlieren sie meistens ihre Fruchtbarkeit und werden dann im Frühsommer operiert.

Die Muscheln kommen, wie schon erwähnt, heute ausschließlich aus Zuchtanstalten, sie sollen im Idealfall ausgewachsen, d. h. etwa 3 Jahre alt sein. Während der Ägide von Mikimoto wurden ausschließlich 3- bis 4-jährige Muscheln verwendet. Dies änderte sich zunächst langsam in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg, und in den letzten beiden Jahrzehnten ging man dazu über, auch zwei- und einreihige Muscheln zu verwenden – heute sind wenige Muscheln mehr als zwei Jahre alt. Farmen, auf denen ausschließlich große Perlen gezüchtet werden, verwenden noch ausgewachsene, dreijährige Muscheln. Bis vor einigen Jahrzehnten war es für viele Farmen üblich, zweijährige Muscheln einzukaufen und sie ein weiteres Jahr lang auf der eigenen Farm zu überwachen, sie hatten sich dann akklimatisiert und waren weniger empfindlich.

Nach dem Sommer 1996 wurden Millionen chinesischer Muschenln in Japan eingeführt, ein großer Teil der Muscheln soll im Laufe des Jahres 1997 dem Massensterben zum Opfer gefallen sein. Wahrscheinlich hatte es schon in den Jahren davor Importe aus China gegeben, die möglicherweise ein Grund für das Ausbrechend er Epidemie gewesen sind. Ende 1997 verhängte die chinesische Regierung einen Ausfuhrstopp für Pinctada chemnitzii nach Japan, trotzdem gingen die Verkäufe, wenn auch drastisch verringert, weiter. Informierte Quellen gehen davon aus, dass 1997 100 Millionen Muscheln aus China kamen, im Frühsommer 1998 sind es noch 1 bis 2 Millionen, sie werden über Zwischenhändler nach Japan gebracht.

Die für die Operation bestimmten Muscheln werden 10 bis 18 Stunden zuvor an geschützte Stellen in Ufernähe gebracht und dort extrem dicht gehalten. Als Folge des Nahrungsentzuges öffnen sie sich wenn man sie an Land holt und sogleich wird ein Holzkeil eingesetzt, um sie bis zur Operation geöffnet zu halten. In früheren Jahrzehnten hat man noch andere Methoden angewandt, die Muscheln wurden z. B. zuerst unter fließendes Wasser gehalten. Heute gelten Muscheln, deren Schalen geschlossen bleiben, als nicht gesund, sie gehen zunächst wieder ins Wasser zurück.

Die größten Farmen verfügen über lange von Fensterfronten begrenzte Operationssäle, in denen bis zu fünzig Operatuerinnen arbeiten können, die kleinen Farmen beschäftigen nur ein oder zwei Frauen. Die Operationsarbeit wird in Japan immer von Frauen ausgeführt, die auf der Farm etwa ein Jahr ihre Ausbildung erhalten. Es wird ausschließlich das Mise-Nishikawa-Verfahren angewendet, bei dem ein Perlmuttkern und ein winziges Stückchen Mantelgewebe eingepflanzt werden. Zur Vorbereitung des Gewebeteilchens sucht die Operateurin eine sogenannte Gerbermuschel aus, die gesund und kräftig sein sollte, öffnet sie durch aufschneiden des Schließmuskels und schneidet mit der Schere aus der Mitte des Mantelgewebes einen Streifen heraus. Sie trimmt ihn durch wegschneiden der ungeeigneten Stellen zurecht und zerteilt ihn dann mit einem Skalpell in kleine Vierecke von etwa 4mm x 4mm Größe. Der vorbereitete Streifen liegt jetzt auf einem mit Meerwasser angefeuchteten Holzblock. Etwa jede fünfte Muschel wird als Gebermuschel verwendet. Während der Operation werden die Muscheln betäubt und mit einem Antibiotikum behandelt, das vorangegangene Aushungern lässt sie darüber hinaus den Operationsschock leichter überstehen. Die Operation dauert weniger als eine Minute. Die Technikerin befestigt das Tier auf einer Halteklammer und setzt zwischen die Schalen eine Spreizklammer ein. Jetzt macht sie schnell und geschickt einen Einschnitt in die Gonade. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Fuß oder andere Organe des Weichkörpers, auch der Mantel, nicht so geeignet sind. Mit einer Pinzette greift sie das Gewebeteilchen auf, taucht es in eine rote Desinfektionsflüssigkeit und setzt es in die Schnittstelle ein. Dabei wird darauf geachtet, dass Gewebe aus dem vorderen Teil des Mantels in den hinteren Teil der Gonaden eingepflanzt wird und umgekehrt. Danach platziert die Operateurin, genau im rechten Winkel von oben, mit dem Kernlifter den Kern, der jetzt mit den äußeren Epithelzellen des Gewebestückchens in Berührung kommt. Es werden zwei Kerne eingesetzt, ab 7mm ist nur ein Kern möglich, es können aber auch 10 bis 20 winzige Kerne auf einmal implantiert werden. Der Kernlifter ist ein Stab, an dessen Ende eine halbrunde Vertiefung sitzt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass runde Kerne, abgesehen von ihrer positiven Auswirkung auf die angestrebte Form, von der Muschel eher akzeptiert werden. In früheren Jahrzehnten war zu beobachten, dass zwei Kerne zu einer sogenannten Zwillingsperle verwuchsen. Mit der verbesserten Zuchttechnik ist es gelungen, das Verwachsen der Kerne zu verhindern.

Eine Technikerin kann pro Tag 300 bis 1000 Kerne einsetzen. Je nach der Größe einer Farm werden in jeder Saison einige hunderttausend bis einige Millionen Muscheln operiert. Die Arbeit erfordert äußersten Sorgfalt. Wenn die Schale z. B. verletzt wird konzentriert die Muschen sich darauf, die Verletzung zu heilen, damit geht Energie für die Bildung der Zuchtperle verloren. Die äußere Epithelzellenschicht (Ectorderm) des eingepflanzten Mantelteilchens überlebt den Operationsvorgang, während die innere Schicht (Endoderm) und das Bindegewebe sich auflösen. Das Ectoderm besteht aus gerundeten, lose miteinander verbundenen Zellen, die sich leicht voneinander lösen, wenn ein Anreiz von außen erfolgt. Die äußere Schicht zersetzt sich besonders schnell, wenn ein Stück Mantelgewebe vom Rest des Mantels getrennt und in ein fremdes Bindegewebe eingesetzt wird oder wenn es mit einem Fremdkörper (in diesem Fall der eingepflanzte Kern aus Perlmutt) in Berührung kommt. Die Zellen stoßen sich ab und werden durch neue, längliche Epithelzellen ersetzt, die elastisch sind und sich parallel zueinander um den Kern zu einem Sack anordnen. Jetzt wachsenn die runden Epithelzellen durch Zellteilung wieder nach, sie ersetzen die länglichen Zellen und es erscheinen die einzelligen Drüsen wieder, die für die Ausscheidung von Persubstanz verantwortlich sind. Die Entstehung des Perlsacks nimmt bei einer Wassertemperatur von 16 Grad Celsius etwa 2 Wochen in Anspruch. Wenn die Temperatur 26 Grad und mehr beträgt, sind weniger als 7 Tage erforderlich. Schon während sich der Perlsack bildet, beginnt die Ausscheidung von Perlsubstanz. Er vergrößert sich durch Zellteilung ständig weiter und umkleidet die wachsende Perle. Bei der Ernte ist sie von einer schleimigen Haut umgeben, die nichts anderes als den Perlsack darstellt.

Der Aufbau der Perlschicht ist abhängig von der genetischen Programmierung der Epithelzellen im Perlsack, die wiederum abhängig ist von der Stelle innerhalb des Mantels, von der die Zellen stammen. Junge Zellen, die vom Mantel kommen, werden Conchyn oder Calcit ausscheiden (es entsteht dann auf dem Permuttkern zunächst eine Conchyn- oder Prismenschicht), nur ältere Zellen von der Manteloberfläche werden sofort mit der Ausscheidung von Perlmutt beginnen. Die Operateurin muss genau wissen, welche Stellen des Mantels sie verwenden darf. Am besten geeignet sind Gewebeteilchen von einer Stelle der äußeren Mantelkante, deren Zellen gerade dazu übergegangen sind, anstelle von Calcit Perlmutt auszuscheiden. Die Zellen sind dann noch jung, und die von ihnen ausgeschiedenen Aragonitplättchen sind kleiner als zu einem späteren Zeitpunkt. Die geringere Größe trägt wiederum zu einer Verbesserung des Lüsters bei. Mit dem Alter des ausscheidenden Gewebes nimmt die Dicke der Aragonithplättchen zu. Die Beobachtung kann auf das Perlmutt der Schalen übertragen werden, dessen Lüster am Rand ausgepräger ist.

Die Aragonithplättchen wachsen analaog zur konzentrischschaligen Anordnung der Naturperle auf dem Perlmuttkern auf, das bedeutet, dass die äußere Schicht der Zuchtperle der Naturperle vergleichbar ist, aus diesem Grund wird sie Perlschicht genannt. Die Dicke der Perlschicht, das wichtigste Qualitätsmerkmal der Zuchtperle, ist abhängig von der Wachstumsrate und der Wachstumszeit.

Die Epithelzellen des Perlsacks können unvorhergesehenem Funktionswechsel unterliegen. Der Perlsack scheidet dann z. B. eine Conchynschicht um den Kern aus, bevor das eigentliche Wachstum der Perlschicht beginnt Dieses Verhalten wird als Abwehrreaktion gedeutet, der Kern soll durch die schnelle Umhüllung mit organischer Substanz sozusagen unschädlich gemacht werden. Auf die organische Schicht kann zunächst eine Prismenschicht folgen.

Ziel der Züchter ist es, Auswahl und Verhalten der Epithelzellen während der Zuchtzeit so zu steuern, dass möglichst sofort eine Perlschicht entsteht, deren Wachstum ohne Störungen bis zum Ende der Zuchtzeit anhält. Die dazu erforderlichen Methoden, zu denen auch die Überwachung der Muschel während der ganzen Zuchtzeit gehört, werden unter dem Begriff Zuchttechnologie zusammengefasst. Japaner sind die unumstrittenen Meister, sie haben die Zuchttechnologie in den letzten Jahrzehnten weitgehend perfektioniert und besitzen damit gegenüber Züchtern aus anderen Ländern einen Wissensvorsprung.

Der Fortschritt ist u. a. daran zu erkennen, dass in den letzten zwanzig Jahren immer weniger Zuchtperlen Conchynringe oder oder eine ausgeprägte Conchynschicht zwischen Kern und Hülle zeigen (die Conchynablagerungen sind z. B. auf einem Röntgenschattenbild gut zu erkennen und stellen ein sicheres Kriterium für die Unterscheidung zwischen Naturperlen und Zuchtperlen dar).

1969 hat Dr. oji Wada vom National Research Institute of Aquaculture nachgewiesen, dass mit der Auswahl der Epithelzellen auch die Farbe der Perlschicht beeinflusst werden kann. Wada stellte fest, dass weißes Mantelgewebe weißere Perlen als gelbes ergibt. Seit Mitte der siebziger Jahre wenden die japanischen Farmer diese Erkenntnis bei der praktischen Perlzucht an. Einem geschickten Operateur wäre es demnach möglich, die Körperfarbe einer Perle durch Auswahl des Mantelgewebes im Voraus festzulegen. Wahrscheinlich wird die Gentechnik in absehbarer Zeit soweit sein, bereits den fertigen Perlsack im Labor zu erzeugen, möglicherweise wird diese Methode bereits in China zur Zucht von kernlosen runden Perlen angewendet.

In den vergangenen Jahren hat es in Japan Experimente gegeben, das Mantelgewebe besonders geeigneter Gebermuscheln durch Einfrieren in flüssigen Stickstoff zu konservieren. Das Gewebe wurde in Streifen geschnitten und 14 Monate lang konserviert. Nach dem Auftauen wurden die Streifen in winzige Vierecke geschnitten, die den Muscheln nach der Standardmethode einoperiert wurden. Die Ertragsrate war um bis zum 40% niedriger als bei der herkömmlichen Methode, aber die Qualität der Perlen war gut. Wahrscheinlich werden die Epithelzellen durch Einfrieren geschädigt, sodass ihre Ausscheidungsfunktion beeinträchtigt wird.

Die Praxis sieht etwas anders aus, und der Wunschtraum, die Farben und Überfarben der Zuchtperlen genau im Voraus bestimmen zu können, liegt noch in weiter Ferne. Mit der Wada-Methode und mit den Methoden der Gentechnologie kann nur ein Einfluss ausgeübt werden. Weitaus mehr Bedeutung kommt immer noch den Faktoren zu, die man bis dahin als allein maßgebend für die Entstehung der Farbe einer Perle angesehen hatte und die nur bedingt zu kontrollieren sind. Dazu gehören neben der Beschaffenheit von Wasser und Plankton, die von der Wassertiefe, der Temperatur und der Entfernung vom Ufer abhängig sind, alle anderen Umweltbedingungen und auch der Gesundheitszustand der Muschel. Die Wassertiefe hat darüber hinaus durch den wechselnden Lichteinfluss eine Wirkung auf die Ausscheidung von Aragonit (d. h. die Wachstumsgeschwindigkeit). Mikimoto hatte dieses Problem bereits erkannt und als Folge davon farbige Glasplatten entwickelt, die in die Außenwände der Zuchtkörbe eingesetzt wurden. Er erhoffte sich mit dieser Methode, für die er am 8. Mai 1935 ein Patent erhielt, eine Verbesserung des Weißtones der Perlen.

Akoyamuscheln, die eine auffallend weiße innere Schalenschicht haben und weiße, glänzende Perlen produzieren, werden in Japan auch Shiro-gai genannt. Der auffallende Weißton der Perlen mag allerdings eher auf die weiße Farbe der Kerne und die geringe Schichtdicke zurückzuführen sein. Die Muscheln werden durch selektive Zucht herangezogen, sie sind anfällig und sterben schneller. Starke und gesunde Muscheln dagegen, die in ihrer Robustheit den früheren, wildlebenden Muscheln vergleichbar sind, produzieren überwiegend immer noch den gelblichen oder grünlichen Ton, der nicht erwünscht ist.

Die Wachstumsrate ist abhängig von der Wassertemperatur, der Jahres- und der Tageszeit. In der Ago-Bucht, die zur pazifischen Zone mit gemäßigtem Klima gehört, bildet Pinctada martensii im Durchschnitt pro Jahr eine Schicht von etwa 0,15 mm. Die Dicke der aufwachsenden Aragonitplättchen liegt durchschnittlich bei 0,35 bis 0,5 Mikron, ihr Durchmesser bei 3 bis 6 Mikron. In den weiter südlich gelegenen Zuchtgebieten ist die Wachstumsrate höher, auf Kyushu kann sie bis zu 0,3mm pro Jahr betragen. Das subtropische Klima der Insel liefert das ganze Jahr über fast identische Wassertemperaturen. In der Ago-Bucht dagegen kann die Temperatur im Winter auf 13 Grad Celsius absinken, die Muschel fällt dann in eine Art Winterschlaf, der Stoffwechsel ist reduziert, und der Wachstumsvorgang kommt fast zum Erliegen.

In den ersten Jahrzehnten an den zum offenen Meer hin gelegenenen Stellen begonnen, die mit ihrem hilfreichen Planktongehalt ein schnelles Wachstum garantieren. Erst gegen Ende der Zuchtzeit gingen die Muscheln an kühlere Stellen in der Ago-Bucht zurück, um einen feineren Aufbau der äußeren Perlschicht zu erreichen. In den letzten drei Jahrzehnten scheut man den Kosten- und Zeitaufwand, der mit solchen Maßnahmen verbunden ist, die Lösung der Qualitätsverbesserung sieht man jetzt eher in den verbesserten Zucht- und Veredelungstechniken. In der Ago-Bucht gibt es aber immer noch Züchter, die ihre Muscheln kurz vor der Ernte für etwa 2 Wochen and ie Küste im Nordwesten Japans fahren, um den Perlen in den dortigen tieferen und kühleren Gewässern den letzten Schliff zu geben.

Auf Dauer gesehen konnten oder wollten die Züchter die langen Zuchtzeiten nicht mehr in Kauf nehmen , auch wenn sie am Ende lukrative Gewinne versprachen. Abgesehen von den hohen Kosten, die mit jedem weiteren Jahr entstehen, erhöht sich das Risiko, weil die Farmen ständigen Gefahren ausgesetzt sind. Wenn die Zuchtzeit drei Jahre übersteigt, kann es durch unregelmäßiges Wachstum zu einer Veränderung der der runden Form der Perle kommen. Im Laufe der achtziger Jahre wurde die Standardzuchtzeit auf zwei Jahre verringert (zweijährige Perlen nennt man im Japanischen 'Koshimono'), bald wurden 12 bis 18 Monate als normal angesehen (einjährige Perlen werden als 'Tonenmono' bezeichnet). Mitte der Neunziger waren die Ausnahmen bereits zur Regel geworden, viele Züchter waren bei einer Durchschnittszeit von sechs Monaten angelangt. Der Grund dafür lag hauptsächlich darin, dass die aus den Tanks der Zuchtanstalten kommenden Muscheln zunehmend empfindlicher wurden. Sie mussten immer häufiger bereits sechs Monate nach der Operation geerntet werden, weil sie eine längere Zeit nicht überlebt hätten. Die kurze Zuchtzeit, die weltweit angeprangert wird, führte unweigerlich zu einer Verringerung der Perlenqualität. Eine Ausnahme bilden nach wie vor größere Perlen, für die zwei bis drei Jahre angesetzt werden.

Nach der Krise vom Sommer 1996 wurde wieder eine allgemeine Erhöhung der Zuchtzeiten auf zwei Jahre angestrebt, mit deren Umsetzung einige Farmer auch sofort begannen.

(Quelle: Elisabeth Strack "Perlen" 2001)